Kürzlich schenkte mir eine Bekannte ein Bändchen mit Kolumnen von Stephan Moser. Er schreibt unter „Übrigens“ in den „Freiburger Nachrichten“. Mir gefallen sein ausgezeichnetes Sprachgefühl und die Art, wie er die Welt betrachtet.
«Flou-Flou für den Weltfrieden»
von Stephan Moser
Manchmal komme ich mir im Sandkasten vor wie ein Blauhelmsoldat der UNO. Zwar spielen meine zwei Kinder meist einträchtig miteinander; aber der innerfamiliäre Frieden ist fragil. Oft genügt eine Kleinigkeit, und es kommt zum Ausbruch von offenen Feindseligkeiten zwischen den Kleinen.
Die Konfliktgründe sind klassisch: Die Ressourcen sind knapp (beide wollen unbedingt Bagger spielen, und zwar partout im selben Moment, wir haben aber nur einen), der Platz ist knapp (sie will einen Berg aufschütten, er ein tiefes Loch graben – und zwar beide auf demselben Fleckchen Sand) und Langweile paart sich mit kindlichen Allmachtsphantasien („Das ist mein Sandkasten!“ – „Neiiin. Meiner!“)
Die Konfliktgründe sind klassisch: Die Ressourcen sind knapp, der Platz ist knapp
Wenn die Köpfe meiner Kinder immer röter werden, ziehe ich die emotionale Splitterschutzweste über und setze das ganze Arsenal an friedenserhaltenden Massnahmen in Gang. Ich appelliere an die Vernunft, was bei Zwei- und Vierjährigen nur bedingt Erfolg hat. Ich versuche zu vermitteln und unterbreite ausgeklügelte Friedenspläne: „Ein Berg? Ein Loch? Am selben Ort? Dann machen wir doch zusammen einen Vulkan – und zwar ohne Bagger.“
Als nächstes ziehe ich eine Demarkationslinie, setze mich demonstrativ zwischen die beiden und schaufle links einen Berg und grabe rechts ein Loch. Und ich verweise auf mein Mandat des Sicherheitsrates („Mama würde genau das gleiche tun.“) Nützt alles nichts, drohe ich mit drakonischen Sanktionen („Wenn ihr jetzt nicht aufhört, gibts heute Abend keine Barbapa-Filchen.“).
Unberechenbar wird die Situation, wenn der Nachbarsbub dazu kommt. Manchmal beruhigt sich die Situation. Häufiger bilden sich aber unheilige Allianzen: die zwei Grossen gegen den Kleinen. Die Buben gegen das Mädchen. Meine Kinder gegen die anderen. Alle gegen alle. Und ehe ich mich versehe, werden Schaufeln zu Schwertern und Fingernägel zu Nahkampfwaffen, und ich sitze im Sandkasten mit heulenden Kindern um mich herum.
Ich setze das ganze Arsenal an friedenserhaltenden Massnahmen in Gang. Ich appelliere an die Vernunft. Ich versuche zu vermitteln und unterbreite ausgeklügelte Friedenspläne.
Dann hilft nur noch meine deeskalative Wunderwaffe. Reihum nehme ich die Kinder in den Arm, bis ihr Wehklagen in ein Nasenschniefen übergegangen ist, und sage dann: „Zeit fürs Zvieri. Wer will einen Schoggi-Flou-Flou?“ Die Wirkung ist überwältigend: Tränen trocknen. Der Bagger, um den eben noch alle stritten, ist plötzlich uninteressant geworden. Ohne grosses Tamtam zottelt die Bande nach hause, wäscht die Hände und setzt sich an den Tisch. Uns spätestens nach dem zweiten Löffel Schoggipudding sind alle wieder die besten Freunde.
Umarmen und Flou-Flou essen: Wenn das mit dem Weltfrieden doch nur so einfach wäre.
Bildquelle: https://poetomat.ch/Wordpress/flou-flou-fuer-den-weltfrieden/